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Katastrophenschutzverfahren der Union – Einfluss der Corona-Pandemie

Die gegenseitige Hilfe im Falle von Naturkatastrophen und Großschadenslagen ist allen Mitgliedstaaten der EU ein Anliegen und ein starkes Zeichen europäischer Solidarität. Damit die gegenseitige Hilfe vor Ort effektiv und zielgerichtet wirken kann, bedarf es jedoch enger Abstimmung und Koordinierung.

Das gilt nicht nur für „herkömmliche“ Katastrophen wie etwa verheerende Waldbrände, die beinahe jeden Sommer in einem oder mehreren Mittelmeerländern wüten, oder Hoch­wasser­ereignisse: auch die Covid-19-Krise bedarf eines engagierten Krisenmanage­ments und enger Zusammenarbeit. Deshalb haben der Europäische Rat in einer gemein­samen Erklärung vom 26. März 2020 und das Parlament in einer Entschließung vom 17. April 2020 die Kom­mis­sion aufgefordert, Vorschläge für ein „ehrgeizigeres und breiter gefäch­ertes“ Krisen­management­system in der Union vorzulegen.

Unionsverfahren im Katastrophenschutz – warum nur ein Beschluss und keine Verordnung oder Richtlinie?

Die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten im Katastrophenschutz erfolgt im Wesentlichen im Rahmen des EU-Katastrophenschutzverfahrens, dem so genannten „Unionsverfahren“. Das Verfahren ist im Beschluss über ein Katastrophenschutzverfahren der Union geregelt. Wa­rum nicht in einer Verordnung oder einer Richtlinie? Weil die Europäische Union im Kata­stro­phen­­schutz keine Rechtsetzungskompetenz hat: Sie kann nur tätig werden, indem sie die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten mit dem Ziel fördert, deren Tätigwerden bei der Risikoprävention, Ausbildung und im Katastropheneinsatz zu unterstützen und zu ergän­zen, eine schnelle und effiziente Zusammenarbeit in der EU zwischen den einzelnen Katastrophen­schutzstellen zu fördern und das „Ineinandergreifen“ der Katastrophenschutz­maßnahmen auf internationaler Ebene zu verbessern.

Konkret unterstützt die EU-Kommission die Mitgliedstaaten etwa bei der Koordinierung der Hilfseinsätze. Zudem fördert sie die Präventionskultur und leistet in einem engen Rahmen auch finanzielle Unterstützung – zum Beispiel bei den Transportkosten. Mit regelmäßigen gemeinsamen Übungen und Erfahrungsaustausch werden die Fähigkeiten der Nationalen Expertinnen und Experten und ihre Einsatzressourcen erprobt und getestet.

Im Notfall zu Hilfe: Das EU-Lagezentrum

Das Herz des Unionsverfahrens ist jedoch ein rund um die Uhr an sieben Tagen der Woche einsatzbereites Lagezentrum: das Zentrum für die Koordination von Notfallmaßnahmen (Emergency Response Coordination Centre – ERCC). Jede Großschadenlage wird dort registriert und aufgearbeitet. Hilfsersuchen und Hilfsangebote werden entgegengenommen, geprüft und weitergeleitet. Transporte (z.B. von schwerem Lösch- oder Bergungsgerät) werden koordiniert und organisiert. Die Einsätze werden mit Geoinformationen des Europäischen Erdbeobachtungsprogramms Copernicus unterstützt und begleitet. Wie das Verfahren genau funktioniert und welche Aufgaben die EU beim Katastrophenschutz sonst noch erfüllt, erfahren Sie hier.

Änderung des Beschlusses aufgrund der Corona-Pandemie

Die Europäische Kommission hat am 02. Juni 2020 einen Vorschlag zur Änderung des Beschlusses über das EU-Katastrophenschutzverfahren vorgelegt. Der bisherige Beschluss hatte sich für die neue Bedrohungslage, wie sie durch die Covid-19-Krise geschaffen wurde, indem sie praktisch alle Mitgliedstaaten betrifft, als zu wenig effizient erwiesen. Ausgangs­situation war, dass dem Hilfeersuchen des in den Anfängen der Pandemie besonders hart betroffenen Italiens nicht rasch und unbürokratisch entsprochen werden konnte.

Rat und EU-Parlament erzielten am 08. Februar eine vorläufige Einigung über die Stärkung des europäischen Katastrophenschutzes. Die neuen Bestimmungen ermöglichen, dass die Kommission in Katastrophenlagen benötigte Materialien direkt auf EU-Ebene beschaffen kann. Bislang musste sich die Kommission darauf verlassen, dass die Mitgliedstaaten selbst Notfallgüter, wie zum Beispiel medizinische Ausrüstung, zur Verfügung stellen. Ebenso soll die Prävention, Vorsorge und Reaktion auf Katastrophen verbessert werden. Wenn ein Notfall die Fähigkeiten eines Landes zur Reaktionen übersteigt, kann es Hilfe anfordern. Die Kommission spielt dann die Schlüsselrolle bei der Koordination und trägt zu mindestens 75 % der Transport- und Durchführungskosten der Einsätze bei.

Für den Finanzierungszeitraum 2021-2027 werden dem EU-Katastrophenschutzverfahren 1,3 Mrd. Euro zur Verfügung gestellt, ergänzt durch 2,1 Mrd. Euro aus dem EU-Aufbau­instrument. Das Gesamtbudget des EU-Katastrophenschutzes ist damit etwa fünfmal größer als während der vergangenen sieben Jahre. Rat und Parlament müssen noch förmlich zustimmen.