Daniel Unterweger | Das European Youth Event 2016 unter dem Motto “Together we can make a change” ist vorüber. Konzipiert als Projekt, Jugendliche in Verbindung und Diskussion mit europäischen Entscheidungsträgern zu bringen, wurde entlang von 5 Themenblöcken eine Vielzahl von Workshops und Vorträgen organisiert. Die dort gesammelten Ideen, so heißt es, sollen den Europaabgeordneten als Anregungen dienen. Ein Experiment zivilgesellschaftlicher Partizipation und Demokratisierung.
Was aber bleibt nun von diesem Youth Event konkret, abgesehen von diesem abstrakten Versprechen? Was sagt das EYE 2016 über die EU aus? Was bleibt für die Jugend, und war es wirklich “die Jugend”, welche dort ihre Ideen und Visionen präsentieren konnte? Eine Wortmeldung aus dem Publikum während der Eröffnungsveranstaltung im Plenarsaal des Parlaments erscheint in dieser Hinsicht besonders bemerkenswert: Nicht „die Jugend” Europas sei hier versammelt, so der Redner, sondern die ohnehin schon Engagierten, die Vernetzten, „die Eliten”, wenn man so will. Optimistisch bezüglich der Zukunft – dank guter Ausbildung, Mitgliedschaft in diversen Organisationen und wohl in den meisten Fällen (zukünftigem) Studium. Also keine Spur von der „Zukunftsangst“, welche im Bundespräsidentenwahlkampf oft beschworen wurden.
Ganz von der Hand weisen lässt sich diese Argumentation nicht. Nicht nur Reichtum trägt zur Bildung solcher Eliten bei, sondern auch soziale und kulturelle Charakteristika. Die meisten Teilnehmer haben im Laufe ihres Lebens wohl eine erhebliche Menge von sozialem und kulturellen Kapital angesammelt[1], insbesondere aufgrund ihrer Familie, Freunde und Kollegen, welches sie schlussendlich in Ihren Entscheidungen und Möglichkeiten beeinflusst haben. Das kann ein Problem sein, eröffnet aber auch Chancen, unser Umfeld zu beeinflussen.
Es dürfte in vielen Fällen somit kein Zufall sein, welcher die Teilnehmer zum EYE brachte. Dass die dort gesammelten Ideen und Vorschläge nur die Interessen eines kleinen Teils der europäischen Jugend beinhalten, scheint daraufhin logisch. Die Lösung für dieses Dilemma ist keine einfache, und ist durchaus vergleichbar mit dem oft konstatierten Demokratiedefizit in der EU. Dieses Demokratie-Defizit ist meiner Meinung nach aufgrund der inzwischen relativ weitreichenden Befugnisse des Parlaments kein in erster Linie institutionelles[2], sondern ergibt sich aus einem Mangel an Partizipation, welcher wiederum fehlender Information entstammt.
Hört man sich außerhalb (oder oft auch innerhalb) des eigenen Freundkreises um, so bleibt die EU ein abstraktes Konzept. „Soll ich überhaupt zur Wahl gehen?“, fragte mich ein durchaus gut gebildeter und langjähriger Freund meinerseits vor der Europawahl 2013. Zu meiner eigenen Überraschung gestaltete sich die Suche nach einer brauchbaren Online-Übersicht welche erklärt, was genau jetzt zur Wahl stand, welche Zuständigkeiten dieses Parlament hat und was es mit diesem Schulz, Juncker und Verhofstadt eigentlich auf sich hat, nicht gerade einfach. Wie also diese Informationslücke überbrücken? Wo ist hier der Selbsterhaltungstrieb der EU, sich ein positives Image zu erarbeiten, jenseits eines Elitenprojekts? Und was macht man als überzeugter Pro-Europäer? Aufgeben, im Sinne von „I did not leave the Union, the Union left me“?
Aufgrund der vielen (zugegebenermaßen gebetsmühlenartig oft wiederholten) Errungenschaften, für welche die Europäische Union tatsächlich verantwortlich ist, gilt es hier meiner Meinung nach durchaus, einen Vertrauensvorschuss zu gewähren. Eine Reform der Entscheidungsfindungsmechanismen (Rat, Parlament, Kommission) ist nötig, aber nicht kurzfristig möglich. Um der grassierenden Europaskepsis entgegenzuwirken gilt es in allererster Linie die Bürger, und hier an erster Stelle die Jugend Europas, über die ihnen beispielsweise mittels Europawahlen zustehende Macht aufzuklären. Bewusstsein zu schaffen und auch im eigenen, weiteren Freundeskreis Möglichkeiten aufzuzeigen. Auch Möglichkeiten der Partizipation an Events wie dem EYE. Kritik an der EU ist wichtig, aber wie fast überall im Leben so ist es auch in der Politik viel leichter etwas zu kritisieren, als eigenen Input oder praktische Arbeit zu liefern. Vielleicht ist es an der Zeit, die Stammtischdiskussionen nicht nur Kritikern zu überlassen. Nicht nur „die EU“ ist gefragt, ihr Image zu verbessern, wir alle sollten auch dazu beitragen, sofern wir ein vereintes Europa erhalten wollen.
[1] Soziales Netzwerk, Kleidungsstil, Persönlichkeit und Verhalten, etc. Diese Argumentationslinie lehnt sich an den Soziologen Pierre Bourdieu und sein „Habitus“ Konzept an.
[2] Selbstverständlich hat die EU ein weitreichendes Problem bezüglich ihrer Handlungsfähigkeit, wie beispielsweise Anhand der Migrationskrise erkennbar. Dieser „Konstruktionsfehler“, welcher meiner Meinung nach mit einer zu starken Stellung des Rates einhergeht, verhindert schnelle Lösungen in Krisenzeiten. Ein Diktat von oben herab, wie es oft der EU zugeschrieben wird, ist meiner Einschätzung nach durch die Kontrollfunktion des Parlaments aber nur mehr sehr eingeschränkt möglich – beispielsweise in Fragen der Eurogruppe.