Das Europäische Semester für die Koordinierung der Wirtschaftspolitik wurde 2010 eingeführt. Das Europäische Semester ist ein Zyklus, in dessen Verlauf die EU-Mitgliedstaaten ihre Wirtschafts- und Fiskalpolitik aufeinander abstimmen. Es gehört zum Rahmenwerk für die wirtschaftspolitische Steuerung der Europäischen Union.
Ablauf des Europäischen Semesters
Es erstreckt sich im Wesentlichen über die ersten sechs Monate eines Jahres – daher die Bezeichnung „Semester“. Im Laufe des Europäischen Semesters richten die Mitgliedstaaten ihre Haushalts- und Wirtschaftspolitik an den auf EU-Ebene vereinbarten Zielen aus.
Das Europäische Semester startet im Spätherbst mit der Veröffentlichung eines Jahreswachstumsberichts (politische EU-Prioritäten für das kommende Jahr) und eines Warnmechanismus-Berichts (wirtschaftliche Beurteilung der Mitgliedstaaten). Auf deren Grundlage werden vom Rat wirtschaftspolitische Empfehlungen verabschiedet. Ende Februar veröffentlicht die Kommission für jeden Mitgliedstaat einen Länderbericht, in welchem die wirtschaftliche Lage und auch die Reformfortschritte analysiert werden.
Im April übermitteln die Mitgliedstaaten ihre Nationalen Reformprogramme. In diesen Berichten legen sie dar, welche Maßnahmen in den letzten Monaten zur Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen getroffen wurden und welche weiteren Umsetzungsschritte in den kommenden 12 Monaten geplant sind. Das österreichische Reformprogramm bietet zudem in einem Anhang einen Überblick über die Reformen auf Ebene der Länder, der Städte und Gemeinden sowie der Sozialpartner. Es wird unter Einbeziehung der Sozialpartner sowie der Länder- und Gemeindevertreter erstellt.
Die Europäische Kommission prüft diese Berichte und veröffentlicht im Mai für jeden Mitgliedstaat aktualisierte länderspezifische Empfehlungen. Diese werden vom Rat diskutiert und vom Europäischen Rat Ende Juni gebilligt. Mit dem formalen Ratsbeschluss der länderspezifischen Empfehlungen im Juli endet das Europäische Semester. Von den Mitgliedstaaten wird erwartet, dass sie diese Leitlinien bei ihrer Haushaltsplanung für das kommende Jahr und bei Entscheidungen über Maßnahmen in den Bereichen Wirtschaft, Beschäftigung, Bildung usw. berücksichtigen.
Hier finden Sie ein Ablaufschema des Europäischen Semesters.
Die Länderberichte
Bereits Ende Februar 2020 veröffentlichte die EU-Kommission im Rahmen des Europäischen Semesters u.a. die Mitteilung „Bewertung der Fortschritte bei den Strukturreformen und Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte“ und die jeweiligen Länderberichte zur Analyse der sozioökonomischen Anforderungen.
Der Länderbericht Österreichs 2020
Im Länderbericht für Österreich 2020 merkt die Kommission an, dass seit 2011 bei 70 % aller an Österreich gerichteten länderspezifischen Empfehlungen „einige Fortschritte“, bei 30 % jedoch nur „begrenzte Fortschritte“ oder „keine Fortschritte“ erzielt wurden. Was die länderspezifischen Empfehlungen 2019 angehe, habe Österreich insgesamt begrenzte Fortschritte erzielt. Wie im Länderbericht 2019 werden Österreich nur begrenzte Fortschritte bei den Investitionen in die Nachhaltigkeit, beim Abbau regulatorischer Hindernisse im Dienstleistungssektor sowie ein Investitionsrückstand u.a. bei öffentlichen Investitionen in Digitalisierung, Bildung und erneuerbaren Energien attestiert.
EU-Mittel und –Programme
Die EU-Mittel, vor allem der Europäische Fonds für regionale Entwicklung (EFRE), der Europäische Sozialfonds (ESF) und der Europäische Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER), haben Österreich laut EU-Kommission viele soziale und wirtschaftliche Vorteile gebracht. So konnten durch EFRE-Mittel insgesamt 918 Mio. Euro an privaten Investitionen mobilisiert werden.
Das ESF-Programm kam bis Ende 2018 insgesamt 167.123 Personen zugute, u.a. Langzeitarbeitslosen, benachteiligten Menschen, Menschen mit Migrationshintergrund, jungen Menschen und Menschen mit Behinderungen. Für den österreichischen Agrarsektor wurden im Rahmen des ELER 7,7 Mrd. Euro einschließlich der nationalen Kofinanzierung geleistet.
Reformprioritäten
Die Kommission geht davon aus, dass die Anhebung und effiziente Gestaltung der Energie-steuern für Österreich von entscheidender Bedeutung ist, um Emissionen zu verringern. Eine konsequente Besteuerung von CO2-Emissionen würde die Wettbewerbsfähigkeit klima-freundlicher Energiequellen steigern. Hinsichtlich der ökologischen Nachhaltigkeit laufe Österreich laut Kommission Gefahr, seine Emissionsziele für Treibhausgabe für das Jahr 2020 zu verfehlen. Der nationale Energie- und Klimaplan enthalte keine ausreichend detaillierten Angaben zu Umsetzung und Kosten.
Im Zusammenhang mit dem digitalen Wandel und digitaler Kompetenzen, zähle Österreich nach wie vor nicht zu den „Innovationsführern“. Insbesondere kleine Unternehmen seien bei der Einführung neuer digitaler Technologien und Geschäftsmodelle im Rückstand. Die Digitalisierung bleibe daher eine Reformpriorität für Österreich. Für Österreich sei es wichtig, die Chancen zu nutzen, die die Digitalisierung für die ländlichen Gebiete zu bieten hat. Rund 40% der Bevölkerung leben in überwiegend ländlichen Gegenden und unter den dort ansässigen Unternehmen gebe es viele „Hidden Champions“. Die Digitalisierung senke auch die Kosten für die Überwindung geografischer Entfernungen, z.B. durch Telearbeit.
Betreffend Arbeitsmarktpolitik vertritt die Kommission die Auffassung, dass das Arbeitsmarktpotential von Frauen nach wie vor zu wenig ausgeschöpft werde.
Nächste Schritte
Die Ergebnisse der Länderberichte werden vom Rat der EU erörtert sowie zwischen Kommission und Europäischen Parlament beraten. Österreich hat der EU-Kommission im April sein Nationales Reformprogramm 2020 vorgelegt. Die Vorschläge für die länderspezifischen Empfehlungen wird die EU-Kommission im Mai 2020 veröffentlichen.