Europäische Bürgerinitiative: „Wer mitgestalten möchte, kann das auch“

Veröffentlicht

27. Februar 2025

Die EU ist für viele Bürger:innen nach wie vor abstrakt. Dabei gibt es mit der Europäischen Bürgerinitiative (EBI) die Möglichkeit, selbst Themen zu setzen und die Politik mitzugestalten. Wie das Instrument funktioniert und welche erfolgreichen Initiativen es schon gab, berichtet Marc Germeshausen, Direktor des Europahauses Klagenfurt, im Interview mit Irene Thierjung.

Was ist die Europäische Bürgerinitiative?

Die Europäische Bürgerinitiative (EBI) gibt Bürgerinnen und Bürgern der EU die Möglichkeit, sich einzubringen und die Demokratie aktiv mitzugestalten – ähnlich dem Volksbegehren in Österreich. Jede:r kann eine EBI starten, sich über laufende Initiativen informieren und diese unterstützen. Mit der ID Austria ist die Unterstützung auf der EBI-Website schnell und unkompliziert möglich, sie kann aber auch per Unterschrift in der zuständigen Wahlbehörde erfolgen.

Welche Initiativen gab es bereits – und wie viele hatten Auswirkungen?

Seit die EBI 2007 im Vertrag von Lissabon beschlossen wurde, wurden mehrere Dutzend Bürgerinitiativen gestartet. Zehn waren erfolgreich, was bedeutet, dass sie von der EU-Kommission behandelt und beantwortet wurden. Vier dieser Initiativen entstanden mit österreichischer Beteiligung. 66 Initiativen scheiterten an der nötigen Unterschriftenzahl, 27 zogen die Organisatoren zurück.

Welche Inhalte hatten die erfolgreichen Initiativen mit österreichischer Beteiligung? 

Die Initiative „Right 2 Water“ führte zur Überarbeitung der EU-Trinkwasserrichtlinie, um allen Europäer:innen Zugang zu sauberem Wasser zu sichern. „Minority SafePack“ setzte sich für den Schutz von Minderheiten ein, „Save Bees and Farmers“  für bienenfreundliche Landwirtschaft. „Ban Glyphosate“ erreichte zwar kein Verbot des Herbizids, brachte aber einen Legislativvorschlag für erhöhte Transparenz der Risikobewertung im Bereich der Lebensmittelkette hervor.

Welche Anforderungen müssen erfüllt sein, damit eine EBI von EU-Kommission und -Parlament behandelt wird?

Die Organisationsgruppe muss aus mindestens sieben Bürger:innen aus mindestens sieben Mitgliedsstaaten bestehen, die bei EU-Wahlen wahlberechtigt sind. Innerhalb eines Jahres sind dann mindestens eine Million geprüfte Unterschriften aus mind. sieben EU-Ländern zu sammeln. Dabei muss auch eine Mindestanzahl pro Land erreicht werden. Derzeit befinden sich 12 Bürgerinitiativen in dieser Phase, zwei davon mit österreichischer Beteiligung.

Gibt es einen aussichtsreichen Kandidaten?

Die Initiative „My Voice, my Choice“ für sichere Abtreibung in der EU hat die nötigen Unterschriften bereits nach neun Monaten gesammelt. Sie wurde im kleinen Mitgliedsstaat Slowenien gestartet und zeigt sehr gut, dass Bürger:innen tatsächlich etwas bewegen und EU-weit Unterstützung finden können.

Die Anforderungen, die eine EBI erfüllen muss, wirken sehr hoch. 

In Österreich braucht ein Volksbegehren 100.000 Unterschriften, um von der Politik behandelt zu werden – bei neun Millionen Einwohnern. Eine EBI erfordert eine Million Unterschriften bei 456 Millionen Bürgern. Das klingt viel, ist es im Endeffekt aber nicht. Zudem beträgt die Eintragungsfrist ein Jahr, bei Volksbegehren in Österreich nur eine Woche.

Ist die Suche nach Mitstreitern schwierig und was ist bei der Themenwahl zu beachten?

Die meisten Initiativen stammen aus dem NGO-Bereich oder von Bürger:innen, die sich schon länger für ein Thema engagieren und gut vernetzt sind. Initiativen können zu Themen gestartet werden, die die EU als Ganzes betreffen und in ihren Kompetenzbereich fallen – rein österreichische Anliegen sind ausgeschlossen. Bisher dominierten Themen wie Landwirtschaft, Tierschutz, Gleichheit und Gesundheit.

Wie tragen Institutionen wie das Europahaus Klagenfurt dazu bei, die EBI bekannter zu machen?

Wir sind neben dem European Youth Parliament Österreich einer von zwei EBI-Botschaftern im Land. Wir beraten, klären auf und schaffen Bewusstsein. Wir sind u. a. auf Messen präsent, gehen in Schulen, stellen Unterrichtsmaterial bereit und veranstalten Workshops mit Planspielen für Jugendliche, NGOs, Vereine und zivilgesellschaftliche Organisationen.

Was wäre vonseiten der Politik und der Bürger:innen wichtig, um mehr Bewusstsein für die Möglichkeiten der EBI zu schaffen?

Entscheidungsträger:innen auf lokaler Ebene sollten Bürger:innen aktiv informieren, etwa indem sie aktuelle Initiativen bei Veranstaltungen vorstellen. Auch in Behörden, die Volksbegehren abwickeln, könnten auf die EBI hinweisen. Als Bürger:in sollte man sich dafür interessieren, was in der EU passiert. Wer mitgestalten möchte, kann das auch.