Am 01. Juni 2022 fand im Rahmen der Reihe „Arbogaster Fragen“ der Vortrag des renommierten Politologen Anton Pelinka statt. Im gemeinsamen Dialog mit dem Journalisten Thomas Matt erörterte Pelinka drängende politische Themen wie die Neutralität Österreichs, das Rollenverständnis der Medien in der österreichischen Demokratie sowie die Rolle Österreichs im Ukraine-Krieg. Die Veranstaltung wurde in Kooperation mit EUROPE DIRECT Vorarlberg durchgeführt.
Österreichs Neutralität?
Im Zusammenhang mit Österreichs Neutralität sowie der Frage ihrer Substanz in der gegenwärtigen Zeit fordert Pelinka eine ergebnisoffene Diskussion: Was ist Neutralität? Welche Aufgaben/Funktionen erfüllt diese? Was wären die Alternativen? Während Österreichs Neutralität vor 1990 das Gleichgewicht zwischen Ost und West zu erhalten bezweckt habe, stelle sich nunmehr insbesondere die Frage, welche Funktion/Rolle die Neutralität mit Ende des Ost-West-Konfliktes für Österreich noch erfülle. Diesbezüglich sieht Pelinka auch keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen Österreichs Neutralität und diplomatischen Friedensbestrebungen. Seit 1990 sei insbesondere im Verhalten der Regierungen nichts zu erkennen, was die Neutralität begründen könne. Diese sei demnach in ihrer Substanz ohne Funktion.
Rolle Österreichs im Ukraine-Krieg?
Pelinka verweist insbesondere darauf, dass sich Österreich in eine fatale Energieabhängigkeit von Russland begeben habe. Diese Abhängigkeit von Russland sei gerade nicht das, was Neutralitätspolitik hätte sein sollen. Die Ukraine erfülle die Mindeststandards einer Demokratie, der Krieg sei ein Krieg einer – wenn auch unvollkommenen Demokratie – gegen eine Diktatur. Pelinka warnt außerdem vor undifferenziertem Pazifismus – ein solcher sei eine schlechte Antwort auf die Herausforderungen dieser Zeit. Frieden bedeute vor allem, die Wurzeln des Krieges zu bekämpfen.
Schrittweiser Reformismus
Zum Schluss seines Vortrages hält Pelinka fest, dass wir – trotz aller gegenwärtigen Krisen und Herausforderungen – im relativ besten Europa bzw. Österreich leben würden, das es je gab. Man möge die Welt nicht ausschließlich aus der pessimistischen Perspektive sehen, sondern die historische Perspektive stets im Auge halten, um dieser Neigung, sofort den Untergang zu sehen, entschieden entgegentreten zu können. In einem schrittweisen Reformismus solle stetig daran gearbeitet werden, das bereits Erreichte – Frieden, Demokratie etc. – zu verbessern.