Im Jusstudium war Europarecht eines meiner Lieblingsfächer. Nach dem Abschluss des Gerichtsjahres hat mich mein Weg dann – nach ein paar Abstechern – in die Wirtschaftskammer Vorarlberg geführt, wo ich mich in der Abteilung Außenwirtschaft (fast) jeden Tag mit der EU beschäftige und Teil des Enterprise Europe Network sein darf. Das Enterprise Europe Network wurde 2008 durch die Europäische Kommission ins Leben gerufen und ist heute das weltweit größte Unterstützungsnetzwerk für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) mit internationalen Ambitionen.
Ein Leben „vor der EU“ gibt es für mich nicht, dafür bin ich zu jung. An die Einführung des Euro im Jahr 2002 erinnere mich jedoch noch. Mit den Worten meiner Mutter im Kopf „nimm gleich alles mit, sonst ist es später wertlos“, habe ich mein Taschengeld zusammengeklaubt und bin mit meinem Sparschwein zur Bank gelaufen. Zunächst habe ich die glänzenden Münzen und neuartigen Scheine bewundert, aber dann folgte sogar schon im Kindesalter die Erkenntnis, dass die Menschen zunächst mit der Einführung neuer Regelungen überfordert sind. Beim Bäcker wurden die Preise irgendwie umgerechnet und dann einfach auf den vollen Euro aufgerundet. Das Taschengeld reichte plötzlich nicht mehr für das Lieblingsteilchen.
Nach einer Weile lief alles wieder in geregelten Bahnen und der erste Italienurlaub mit Freunden war ganz einfach zu planen. Einfach losfahren, nur schnell den Reisepass beim Campingplatz vorzeigen, dann die Pizza mit dem Euro zahlen und den Urlaub genießen. Komisch dagegen war der erste Flug in ein sogenanntes Drittland außerhalb der EU. Brauchen wir ein Visum? Wo wechselt man am besten Geld? Kann ich überhaupt mit Karte zahlen?
Heute kenne ich die Antwort auf diese Fragen und genieße die vier Grundfreiheiten des Binnenmarktes in vollen Zügen, wobei der freie Waren-, Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr für mich und unsere Vorarlberger Unternehmen zur Selbstverständlichkeit geworden sind. Ich versuche bei meiner Arbeit, unsere UnternehmerInnen so gut wie möglich auf neue EU-Regelungen vorzubereiten und sie bei der Umsetzung zu unterstützen, sodass sie nicht in eine ähnliche Situation geraten, wie der Bäcker aus meiner Kindheitserinnerung. Eine Aufgabe, die sehr oft schwierig ist.
Dass EU-Verordnungen und -Richtlinien von jedem Mitgliedstaat eingehalten bzw. umgesetzt werden müssen, war auch ein Aspekt, den das Vereinte Königreich gestört hatte, als es vor fünf Jahren aus der EU austrat. 2016 hatte die britische Bevölkerung über den Austritt des Vereinten Königreichs aus der Europäischen Union zu entscheiden und entschied sich mit 52 % der Stimmen dafür. Die Briten wollten weniger Bürokratie, mehr Souveränität, wirtschaftliche Unabhängigkeit und weniger Migration.
All diese Argumente werden auch in Österreich diskutiert. Allen voran ist Vorarlbergs Bevölkerung skeptisch gegenüber der Mitgliedschaft bei der EU, wie Umfragen zeigen. Diese Haltung ist für mich persönlich besorgniserregend. Die Herausforderungen, die auf uns zukommen, kann Österreich nicht im Alleingang bewältigen. Wir sehen am Beispiel „Brexit“, dass der EU-Austritt dem Vereinten Königreich nur noch mehr Bürokratie, neue Zollverfahren, teure Grenzkontrollen und einen massiven Mangel an europäischen (!) Fachkräften beschert hat, während sich die Migration aus Drittländern verdoppelte. Angeblich kostet der Austritt mehr, als das Vereinte Königreich jemals an die EU zahlen musste. Der EU-Binnenmarkt mit seinen Grundfreiheiten fehlt eben, diese Freiheiten können auch neu abgeschlossene Handels- und Kooperationsabkommen nicht ersetzen. Heutzutage befürworten nur noch 11 % der BritInnen den Brexit, wohingegen 60 % davon ausgehen, dass der Austritt aus der EU ein Fehler war. So soll es Österreich nicht ergehen.
Österreich profitiert enorm von der EU. Die heimische Wirtschaft ist im Schnitt um 0,7 Prozentpunkte pro Jahr stärker gewachsen, als es ohne EU-Mitgliedschaft der Fall gewesen wäre, um nur einen Vorteil von vielen zu nennen.
Ich wünsche mir als Europäerin Freiheit und Sicherheit innerhalb der EU und primär Frieden in Europa. Österreichs Bevölkerung ist bunt, die Bevölkerung der Europäischen Union ist bunt und so soll es sein und auch bleiben. Ich bin überzeugt davon, dass wir zu einem friedlichen Miteinander fähig sind, wenn wir uns auf unsere europäischen Werte besinnen.
Word-Rap
Europäische Union – neue Herausforderungen
Grenzen – innerhalb der EU kein Hindernis
Zukunft Europas – muss gesichert werden
Energiekrise – ein Ab und Auf und Ab
Österreich – Zuhause
Heimat – Vorarlberg
Nationalismus – lasst uns die Geschichte nicht wiederholen
Freiheit oder Sicherheit – beides!
Solidarität – wichtig
Digitalisierung – Zukunft
Klimawandel – Verantwortung von uns allen
Kultur – Erziehung
Junge Menschen – haben die Ideen für unsere Zukunft
Lieblingsort in Europa – Isola Maddalena
Städtetrip oder Urlaub am Land – beides
Lieblingsbuch – wechselt ständig
Musikhören oder selber Singen – beides gleichzeitig
Kochen oder Restaurant – kochen
Was mir imponiert – Mitgefühl
Was ich nicht mag – Selbstsucht
Einen Kaffee würde ich gerne trinken mit – Irena Sendler