Die Europäische Kommission hat zusammen mit dem Bericht zur Lage der Energieunion eine Strategie für eine „Renovierungswelle“ zur Verbesserung der Energieeffizienz von Gebäuden in Europa veröffentlicht. Die Renovierungsquote soll sich in den nächsten zehn Jahren mindestens verdoppeln und so die Lebensqualität der Menschen verbessern, die Treibhausgasemissionen in Europa verringern und die Digitalisierung fördern. Ein neues „europäisches Bauhaus“ soll zudem Wissenschaft, Architektur, Design, Kunst, Planung und Zivilgesellschaft zusammenbringen.
Größere Anstrengungen im Gebäudesektor sind notwendig
Auf Gebäude entfallen ca. 40 % des Energieverbrauchs in der EU und 36 % der Treibhausgasemissionen. Mehr als 220 Mio. Gebäudeeinheiten wurden vor 2001 errichtet, aber jedes Jahr wird lediglich 1 % des Gebäudebestands durch Renovierungen energieeffizienter. Somit ist es von entscheidender Bedeutung, dass hier wirksame Maßnahmen ergriffen werden, um Europa bis 2050 klimaneutral zu machen. Ziel ist, bis 2030 35 Mio. Gebäude zu renovieren. Dadurch könnten zudem bis zu 160.000 zusätzliche Arbeitsplätze im Baugewerbe entstehen.
Energieeffizienz bekämpft auch Energiearmut
Fast 34 Mio. Europäer/innen können es sich nicht leisten, ihre Wohnung zu heizen. Maßnahmen zur Erhöhung der Energieeffizienz dienen auch der Bekämpfung von Energiearmut. Die Kommission hat deshalb in diesem Zusammenhang eine an die Mitgliedstaaten gerichtete Empfehlung zur Bekämpfung von Energiearmut veröffentlicht.
Renovierungswelle für Europa
Die Europäische Kommission will den Wandel in Richtung von „grünem Wohnen“ unterstützen und dadurch zur Erreichung der Klimaneutralität beitragen, wie sie in ihrer Mitte Oktober vorgelegten Strategie „Eine Renovierungswelle für Europa“ ankündigt. Durch diese Strategie erhalten Maßnahmen in drei Bereichen Priorität: neben der Bekämpfung von Energiearmut sind dies die Dekarbonisierung der Wärme- und Kälteerzeugung und Maßnahmen für Gebäude mit der geringsten Energieeffizienz sowie Renovierung öffentlicher Gebäude (Schulen, Krankenhäuser, Verwaltungsgebäude usw.).
Die Strategie wird folgende Leitaktionen umfassen:
- Die Kommission will strengere Vorschriften und Standards in Bezug auf die Energieeffizienz von Gebäuden vorschlagen, um Renovierungen im öffentlichen und privaten Sektor zu forcieren. Darunter fallen die schrittweise Einführung verbindlicher Mindestnormen für die Gesamtenergieeffizienz bestehender Gebäude und aktualisierte Vorschriften für Energieeffizienzausweise. Weiters ist eine Ausweitung der Renovierungsanforderungen für den öffentlichen Sektor geplant. Geprüft wird, ob den Vorgaben für die Wärme- und Kälteerzeugung aus erneuerbaren Quellen ein höherer Stellenwert zu geben ist und ein Mindestniveau an Energie aus erneuerbaren Quellen in Gebäuden eingeführt werden soll.
- EU-Finanzierungsmöglichkeiten sollen Gebäuderenovierungen ebenfalls beschleunigen, u. a. durch die europäischen Vorzeigeprojekte „Renovieren“ und „Vorantreiben“, die in der Aufbau- und Resilienzfazilität im Rahmen von NextGenerationEU vorgesehen sind. Vereinfachte Regeln für die Kombination verschiedener Finanzierungskanäle und vielfältige Anreize für private Finanzierungen sollen geschaffen werden.
- Die Kapazitäten für die Vorbereitung und Durchführung von Renovierungsprojekten sollen ausgebaut werden. Dies reicht von der technischen Unterstützung der nationalen und lokalen Behörden bis hin zu Ausbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen zugunsten von Beschäftigten, die die neuen „grünen Arbeitsplätze“ ausfüllen.
- Der Markt für nachhaltige Bauprodukte und -leistungen soll ausgeweitet werden. Darunter fallen die Überarbeitung der Rechtsvorschriften über die Vermarktung von Bauprodukten und Zielvorgaben für Wiederverwendung und Verwertung.
- Ein neues europäisches Bauhaus, ein interdisziplinäres Projekt, dem ein Beratungsgremium aus externen Sachverständigen aus Wissenschaft, Architektur, Design, Kunst, Planung und Zivilgesellschaft vorstehen wird, soll umgesetzt werden. Bis Sommer 2021 wird die EK einen breit angelegten, partizipativen Prozess zur gemeinsamen Gestaltung einleiten, bevor sie ein Netz von fünf Gründungs-Bauhäusern im Jahr 2022 in verschiedenen EU-Ländern einrichtet.
- Stadtteilbezogene Konzepte für lokale Gemeinschaften, um auf erneuerbaren Energien und Digitalisierung basierende Lösungen zu integrieren und Bezirke mit ausgeglichener Energiebilanz zu schaffen, sind Kernstück der Renovierungswelle. Die Verbraucher werden hier zu Prosumenten, die Energie an das Netz verkaufen. Die Strategie umfasst auch eine für 100 Bezirke ausgelegte Initiative für bezahlbaren Wohnraum.
Bei der Renovierungswelle geht es nicht nur darum, den vorhandenen Gebäudebestand energieeffizienter und klimaneutral zu gestalten. Sie kann eine umfassende Veränderung unserer Städte und der baulich gestalteten Umwelt auslösen. Sie kann eine Chance sein, einen zukunftsorientierten Prozess einzuleiten, mit dem Nachhaltigkeit und Ästhetik in Einklang gebracht werden.