Strengere Regelungen für den Beitritt neuer Mitgliedstaaten, Verhandlungen mit Albanien und Nordmazedonien starten

Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) wurde von sechs Mitgliedstaaten in den 1950er Jahren gegründet. Die Europäische Union von heute umfasst 27 Mitgliedstaaten. Die EU entwickelt sich also nicht nur inhaltlich weiter, sie vergrößert sich auch: jeder europäische Staat, der die Kriterien von Kopenhagen erfüllt, kann Mitglied werden. Derzeit wird mit drei Staaten verhandelt, die Beitrittsgespräche mit Albanien und Nordmazedonien stehen in den „Startlöchern“.

Beitrittsantrag, Beitrittsverhandlungen

Ein Beitrittsantrag setzt eine Reihe von Verfahren in Gang. Wesentlich sind die Kriterien von Kopenhagen, die als Voraussetzung für die Aufnahme von Verhandlungen zu erfüllen sind. Diese beinhalten neben der politischen und rechtstaatlichen Stabilität auch eine funktionsfähige Marktwirtschaft sowie die Fähigkeit, die aus einer EU-Mitgliedschaft erwachsenden Verpflichtungen zu erfüllen („acquis-Kriterium“).

Die Verhandlungen mit beitrittswerbenden Staaten – die nach Zustimmung aller EU-Mitgliedstaaten starten – führt die Europäischen Kommission, stimmt diese regelmäßig mit den Mitgliedstaaten ab. Rein praktisch werden die Verhandlungen in 36 thematische Verhandlungskapitel untergliedert. Erst wenn alle Kapitel abgeschlossen sind, wird über den Beitritt abgestimmt – alle Mitgliedstaaten müssen zustimmen, ebenso das Europäische Parlament.

Mit wem wird derzeit verhandelt?

Aktuell wird mit Montenegro und Serbien über einen Beitritt verhandelt. Mit Montenegro sind die meisten der 36 Verhandlungskapitel eröffnet, aber nur wenige definitiv abgeschlossen, mit Serbien wurden ca. zwei Drittel der Verhandlungskapitel angegangen.

Die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei, die 2005 eröffnet wurden, sind seit dem Jahr 2018 „eingefroren“. Dies vor dem Hintergrund, dass es in der Türkei im Zusammenhang mit Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und dem Schutz der Grund- und Menschenrechte – also den politischen Kopenhagener Kriterien – Rückschritte gegeben hat.

In jährlichen Berichten werden die Fortschritte (oder Rückschritte) bei den Verhandlungen zusammengefasst. So liegen vor der Länderbericht Montenegro 2019,der Länderbericht Serbien 2019 und der Länderbericht Türkei 2019.

Welche Probleme gibt es im Beitrittsprozess?

Vor einigen Jahren haben auch Albanien und Nordmazedonien einen Beitrittsantrag gestellt, ebenso Bosnien und Herzegowina. Die Europäische Kommission hat schon vor längerem die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Albanien und Nordmazedonien empfohlen. Im Oktober 2019 war dies aber noch am Veto einzelner EU-Mitgliedstaaten, besonders von Frankreich, gescheitert. Frankreich hat zunächst eine Reform des Aufnahmeverfahrens neuer EU-Mitglieder gefordert.

Änderung des Beitrittsverfahrens

Die Europäische Kommission hat nun striktere Regelungen für zukünftige EU-Beitrittsver­handlungen vorgeschlagen. In einer Anfang Februar vorgelegten Mittteilung zur Stärkung des Beitrittsprozesses hält sie fest, dass dieser stärker auf „wesentliche Reformen“ fokussiert werden soll, angefangen bei der Rechtsstaatlichkeit, der Funktionsweise der demokratischen Institutionen und der öffentlichen Verwaltung sowie der wirtschaftlichen Entwicklung.

Auch werden die Verhandlungen nicht mehr in 36 Kapiteln abgehandelt, sondern diese Kapitel zu thematischen Gruppen zusammengefasst. Vorgesehen sind sechs Cluster: „wesentliche Reformen“, „Binnenmarkt“, „Wettbewerbsfähigkeit und inklusives Wachstum“, „grüne Agenda und nachhaltige Konnektivität“, „Ressourcen, Landwirtschaft und Kohäsion“ und „Außenbeziehungen“. Die Verhandlungen zum ersten Cluster, den wesentlichen Reformen, werden als erste eröffnet und als letzte abgeschlossen. Auch können nur ganze Gruppen abgeschlossen werden, nicht mehr Verhandlungskapitel für sich allein.

Wenn die beitrittswerbenden Länder die Reformprioritäten umsetzen, soll dies zudem die Beteiligung an einzelnen EU-Politikbereichen, dem EU-Markt und EU-Programmen ermög­lichen (eine sog. Periode des „phasing in“). Rückschritte bei der Umsetzung von Reformen insbesondere im Bereich der Rechtsstaatlichkeit sollen demgegenüber sanktioniert werden.

Und was bedeutet das für Albanien und Nordmazedonien?

Die Kommission hat Anfang März 2020 ihre neuen Beurteilungen zu Albanien und Nordmazdonien vorgelegt. Laut Kommission machen diese weiter greifbare und nachhaltige Fortschritte bei ihren Reformen für die Rechtsstaatlichkeit. Vor diesem Hintergrund hat sie nach wie vor die Kommissions-Empfehlung abgegeben, mit den beiden Ländern in Beitrittsverhandlungen zu gehen.

Diesem Votum haben sich die Europaminister der 27 EU-Mitglieder angeschlossen und sich am 24. März 2020 darauf geeinigt, mit Albanien und Nordmazedonien Beitrittsver­handlungen aufzunehmen. Während der Beitrittsprozess mit Nordmazedonien sofort beginnen kann, haben die Europaminister für Albanien jedoch sechs Bedingungen formuliert, die es vorab zu erfüllen gilt: Beschluss einer Wahlrechtsreform, Umsetzung der laufenden Justizreform, Bekämpfung von Korruption und organisierte Kriminalität, dies u.a. durch Einrichtung der Antikorruptionsstaatsanwaltschaft, Korrektur des Mediengesetzes, Umsetzung einer Asylrechtsreform.